Samstag, 22. September 2012

Patienten mit Vorhofflimmern brauchen deutlich mehr Schutz




Vorhofflimmern (VHF) bedroht die Lebensqualität und Unabhängigkeit der betroffenen Patienten massiv: „Die Schlaganfall-Gefahr ist beim nicht valvulären Vorhofflimmern um das Fünffache gesteigert“, mahnte Professor Dr. Ajay K. Kakkar vom „Thrombosis Research Institute“ der Queen Mary University of Londonbeim ESC*-Kongress. Die zerebralen Insulte bei diesen Patienten verlaufen auch überproportional häufig tödlich oder führen zu schwersten Behinderungen.

Nur jeder Fünfte frei von Bluthochdruck

Wie gut die Chance der Schlaganfallprophylaxe durch eine effektive Antikoagulation im Behandlungsalltag genutzt wird, untersuchen Forscher im Garfield*-Register. 19 Nationen haben bei dem 2009 durch das „Thrombosis Research Institute“ in London gestarteten Projekt mitgemacht, insgesamt 10 537 Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (VHF) wurden erfasst. Das mittlere Alter der Kohorte lag bei 70 Jahren.

Bei der Mehrzahl der Teilnehmer handelte es sich um Hochrisikopatienten, 78 % wiesen eine Hypertonie auf, mehr als die Hälfte einen CHADS2-Score ≥ 2. Jeder vierte Patient litt an permanentem VHF, 27 % hatten paroxysmales Vorhofflimmern. Bei 30 % der Patienten war die Herzrhythmusstörung neu diagnostiziert worden – bei dieser Gruppe droht laut Professor Dr. Samuel Z. Goldhaber vom Brigham and Women‘s Hospital in Boston besonders hohe Schlaganfallgefahr.

Obwohl Studien eindeutig belegen, dass eine effektive Antikoagulation das Schlaganfallrisiko in einem solchen Kollektiv um 62 % senkt und die Gesamtmortalität um 26 % reduziert, erhielten viele Patienten keine adäquate Therapie. So wurden nur 46 % mit Antikoagulanzien behandelt, 27 % mit einem Plättchenhemmer, 11 % mit beiden Wirkstoffen, und 16 % der Patienten erhielten keine entsprechende Medikation.

Schlaganfall-Risiko um 62 % reduzierbar

Besonders unverständlich: Bei knapp 80 % der Patienten mit vergleichsweise niedriger Gefährdung erfolgte eine medikamentöse Thromboembolieprophylaxe, während 14 % derjenigen mit ausgesprochen hohem Schlaganfallrisiko (CHADS2-Score ≥ 2) keinerlei prophylaktische Behandlung erhielten.

„Das deckt sich mit den Erfahrungen in unserem Alltag, die immer wieder eine Unterversorgung zeigen“, mahnte Professor Dr. Werner Hacke von der Neurologischen Klinik der Universität Heidelberg. Er bezeichnete die aktuelle Entwicklung als höchst bedenklich: „Wir erwarten aufgrund der demografischen Entwicklung eine Verdoppelung der Inzidenz des Vorhofflimmerns in den kommenden 30 Jahren. Parallel dazu müssen wir offenbar auch mit einer Verdoppelung der Schlaganfallrate rechnen.“

Leitlinientreu beim Vorhofflimmern?

Inzwischen hat die Rekrutierung der zweiten Garfield-Kohorte begonnen, fünf Kohorten mit rund 50 000 Patienten sollen insgesamt erfasst und über mindestens zwei Jahre verfolgt werden. „Wir erhalten mit dem Register Einblicke in die reale Behandlungssituation beim Vorhofflimmern“, betonte Prof. Goldhaber.

Es wird sich aus seiner Sicht zeigen, wie gut die geltenden Leitlinien beim Vorhofflimmern angewandt werden, und es wird auch relevante Daten zur Wirksamkeit der Behandlung und dem Blutungsrisiko unter der Antikoagulation geben. „Und wir werden verfolgen können, inwieweit sich die die Einführung der modernen Antikoagulanzien auf die Versorgung der Patienten im Alltag auswirkt.“

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